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Mushroom Magazin November 2000
Text: Conny (Playground),
die.jennie
Fotos: Playground, layout sina
Warum Urlaub auf Ibiza? Chillen auf Gomera?
Action in Marlboro-Country? Warum Kunst im Museum, Jonglieren am Museumsufer,
Musizieren auf der Popkomm? Händeschütteln, wichtig sein?
"Be your own live act !" ist das Motto der Playground Leute
aus Frankfurt a.M. Die sich diesen Sommer aufgemacht haben, um vom 19.
8. bis ca. zum 22.9. 2000 nach Kosov@ zu fahren. Dort haben sie in verschiedenen
Flüchtlingscamps Workshops für Kids und Free Partys veranstaltet
und sich an Festivals beteiligt. Die Playgrounds lebten einst auf besetztem
Gebiet in den Häusern der Michael Barrax (s.a. mushroom 3/2000).
Inzwischen wurden die Barrax gewaltsam von der Polizei geräumt und
zerstört.
Playground blieb eine freie Gruppe von Jonglier- und Feuerkünstlern,
DJs und Musikern. In Kosov@ waren Babette, Lars, Sascha, Micha, Frank
(DJ Sonic), der Psytrance macht, Scott Fair und Seyo legen von Psychedelic
Trance, Big Beat, Drum n Bass bis zu Hiphop auf und Conny, die als Lava
303 Live Musik macht. Sie schrieb den grundlegenden Text zu diesem Artikel,
der aus Platzgründen nur stark gekürzt abgedruckt werden kann
(Originaltext im www.chaishop.com.). Kosov@ schreibt sie mit @, um sich
aus der politischen Diskussion, ob nun serbisch oder albanisch, rauszuhalten.
Kosov-o ist serbisch, Kosov-a albanisch.
Bis kurz vor ihrer Abreise wussten sie wegen der gefährlichen Situation
zur Zeit der Wahlen in Montenegro nicht, ob es überhaupt möglich
ist, dorthin zu fahren.
Tourbericht
Fahrt
Wir verlassen das Klangweltenfestival Montag Nachmittag. Wir kommen spät
weg: ein Bus, ein Kastenwagen und mein Auto mit einer Riesenkiste drauf.
Wir fahren durch Slovenien, dann Kroatien auf der Autobahn; vorbei an
Zagreb, man sieht viele neue und im Bau befindliche Häuser. Erst
mal angespannte Situation. Diskussionen über Bosnien, Minen und Reiserouten.
Durch Serbien können wir nicht fahren: teure Visas und ein Amerikaner
an Bord. In Slavonski Brot sehen wir zum ersten Mal Einschusslöcher
in Wohnblocks und verbrannte Häuser. Wir überqueren die Grenze
nach Bosnien. Wir fahren vorbei an verlassenen Dörfern, kilometerlang
unbewirtschaftetes Land, rote Bänder entlang der Straßen verweisen
auf absolute Minengefahr.
Einkaufen in Zenica, haben Playground CDs an nette Bosnier verschenkt.
(Out now in Bosnia!) Richtung Sarajevo immer mehr Militärfahrzeuge,
zerschossene Wohnblocks. Wir kommen zur Hauptstadt Podporica, die früher
Titograd hieß. Von dort aus fahren wir in den Norden: alle 20-30
km Polizeikontrolle. Der erste Versuch in den Kosovo zu kommen scheitert,
da uns Polizisten aufhalten: "Hier könnt ihr nicht weiter. Ihr
müsst den anderen Weg nehmen."
Weiter über Prizren: vom italienischen in den deutscher Sektor. Wir
kommen vorbei an Friedhöfen mit bunten Flaggen (Massengräber?).
Fahren auf unbefestigten Straßen, voller Militärfahrzeuge,
Autos ohne Nummernschilder mit D- Kennzeichen, Pferdetaxis. Ab Prizren
wird es besser. Durch ein Tal im Süden, hier haben sich die Deutschen
in einer Festung verschanzt, mit Stacheldraht auf den Mauern und Flagge
am Mast. Sieht aus wie ein Fort im wilden Westen. Wir kommen in ein Dorf
und werden von einer Menschenmenge gestoppt: Es wird gefeiert. Bunt angezogenen
Frauen und Männer tanzen auf der Straße, Trommelspieler und
Flötisten, zwei kleine Jungs mit 100DM Scheinen am Hut. Wir stoppen
an einem Haus, auf dessen Balkonen lauter Frauen runtergucken und winken.
Bevor wir weiterfahren, müssen wir erst Cola und Kaffeetrinken und
werden photographiert. Später stellt sich heraus, dass es eine Beschneidungsfeier
war. Diskutieren bei der Weiterfahrt über Sinn von Beschneidungen,
Nachteile und Vorteil und warum die Frauen da so am Feiern sind. Wir passieren
in den russischen Sektor und kommen an die Grenze von Mazedonien. Stau.
Wir müssen weiße Karten ausfüllen und Scott braucht ein
Visum. Wir fahren an Scopje vorbei direkt nach Kumanovo aufs Festival.
Kumanovo
Das PeliDelicfestival ist auf einem öffentlichen Gelände an
einem Fluss. Erst mal ankommen, auspacken, essen, wir sind alle sehr müde
nach fünf Tagen Fahrt. Das Fernsehen filmt Scott und Lars beim Feuermachen.
Ich schlaf kurz und fange an, meine Instrumente aufzubauen. Frank hilft
mir, Scott pennt. Ich fange an zu spielen, geht so 2-3 Stunden. Es macht
Spaß zu spielen, nach fünf Tagen eingesperrt im Auto. Die Leute
gehen voll ab, wunderschöne Frauen tanzen vor mir, im Hintergrund
machen Lars, Sascha und andere Feuer. Babette hängt an der PA wie
ein Affe und schießt Photos, Christo und seine Freundin gucken mir
beim Gitarre spielen zu und lachen sich schlapp, wegen dem Vibrator-Solo...
Die Zeit hab ich vergessen ... Jacov kommt aus Belgrad und löst mich
ab, dann legt Daniel aus Scopje auf. Das Bier ist leckerleicht und psychedelisch
und Danis Musik ist deep: Micha und ich tanzen die ganze Nacht. Am morgen
legt Frank seinen genialen Martin Luther King Remix auf:
I had a dream.
Kleine Jungs fragen nach Autogrammen: ich gebe ihnen lieber CDs, dafür
muss ich dann erklären, warum da im Innencover Polizisten drauf sind.
Alle sind gut druff, und die Security Jungs wollen Jonglieren lernen.
Babette spielt die strenge Lehrerin. Macht Posen und grinst, während
die strammen Jungs sich abstrampeln. Ein Fernsehteam stellt Fragen: "da
gibt's doch in Deutschland diesen Umzug, die Loveparade in Berlin?"
Versuche zu erklären, dass die Love Parade was kommerzielles ist,
aber eigentlich 'ne Demo, wo man öffentlich zeigt, dass es andere
menschliche Umgangsformen gibt, als sich gegenseitig aufs Maul zu hauen
und Beats besser auf 'ner Trommel oder Groovebox gemacht werden und nicht
auf seinem Nachbarn.
Montag morgen: Katerstimmung doch die Mission ruft: Aufbruch zu Balkansunflower
nach Scopje...
Skopje
In Shutka, einem Stadtteil von Scopje, leben 40.000 Roma, viele sind Flüchtlinge
aus Deutschland, wo man ihnen Geld gegeben hat, damit sie wieder abhauen.
Dazu viele Flüchtlinge direkt aus dem Kosov@...
Shutka ist bunt und verstaubt. Häuser aus Stein, Holz und Pappe,
dazwischen Neubauten und Villen, alles durcheinander, viele Kids auf den
Straßen.
Unsere Ankunft scheint sich rumgesprochen zu haben: am nächsten Tag
gilt für uns erst mal Arbeitsstop. Wir sind der Romagemeinde verdächtig:
lange Haare, bunte Klamotten. Besorgte Eltern rufen beim Bürgermeister
an. Sie wollen wissen, wer wir sind und welchen Einfluss wir auf die Jugend
ausüben. Sandra und Sasch helfen uns bei der Registrierung durch
die Polizei. Als Playgroundsozialarbeiterfraktion walten Micha und ich
unseres Amtes. Wir treffen das lokale Balkan Sunflower Team, stellen unsere
Projekte vor, schreiben Konzepte für die Stadtverwaltung, treffen
den Sunflower-Chef, der uns wilde Balkan Storys erzählt. Am nächsten
Tag stellen wir dem "Munizipal" den Playground und die Projekte
vor. Als sie mitkriegen, was wir an Sponsoring und Eastpakrucksäcken
mitbringen, können wir sofort anfangen zu arbeiten.
Der Plan: vormittags und nachmittags, jeweils drei Stunden drei Workshops
im Rus-Zentrum zu machen. Es gibt einen Bungalow, zwei Container und einen
Garten, was von mehreren Organisationen für Kindergarten, Näh-
und Computerkurse etc. genutzt wird. Die Arbeit mit Kids ist wie ein Live
act: Volle Konzentration und Action. Wir fangen an zu basteln und zu jonglieren:
Kinder kommen, gucken, wollen auch mal
dann spricht's sich rum,
immer mehr Kinder kommen, klettern über Zäune, grabschen, klauen
Stifte, schubsen rum und reden auf uns ein. Ein drunter und drüber,
aber irgendwie verständigen wir uns mit Händen und Füßen.
Wir bauen zusammen Masken, bemalen sie mit Fluorofarbe, machen Scherenschnitte
und T-Shirt-Malaktionen. Lars, Scott und Sascha bauen Chains, Flowersticks,
Jonglierstöcke, und Bälle. Jonglieren ist schwierig, weil die
Kids sich gegenseitig die Bälle wegnehmen.
Frank macht für die älteren einen DJ Workshop.
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Im albanischen Teil von Scopje gibt es viele Basare mit billigen Plastik-Import-Exportwaren,
Kitsch und lecker türkischem Kaffee. Scott, Lars, Sascha und Babette
treffen Sasch, Sandra und die anderen in einem Openair Club: leGarage.
Auf dem Rückweg werden Babette und Sascha verhaftet und rüde
von der Polizei behandelt. Am nächsten Tag gehe ich mit, weil ich
mir den Club ansehen will, wo wir am Freitag spielen sollen. Die Jungs
machen 'ne Feuershow, wir dürfen alle frei trinken. Wir treffen viele
Freunde vom Festival und Lars schafft es tatsächlich eine dieser
unnahbaren, schönen Mazedonierinnen zum Zweiertänzchen zu verführen.
Am Samstag läuft die Abschlussfeier am Ruscenter. Es sollte eine
Präsentation für die Eltern sein, wird aber 'ne Party mit Breakdance
Einlagen der örtlichen Roma HipHop Boygroup. "Shutka ist Brooklyn
und Hip Hop ist daher Pflicht", sagt ein junger Mann. Die HipHopper
sind local heroes, wollen Bühne und Geld für den Auftritt, erkennen
aber den bildungspolitischen Auftrag und tanzen umsonst. Dann legt Frank
auf: Starsoundorchestra, Sonnenvacuuum usw.. Unsere mazedonischen Freunde
machen auch mit. Ich versuche zu trommeln, die Kids wollen mittrommeln.
Als Babette Leuchtsprühkerzen verteilt, stürzen sich die Kinder
auf sie. Es kommt zu Rangeleien, alle wollen mitmachen. Später haben
wir aufgeräumt, eingepackt, Farben, T-Shirts, CDs und Rucksäcke
verteilt und uns von den lieben Freunden u. Helfern im Ruscenter verabschiedet.
Samstagabend fahren wir mit den Mazedoniern aufs Land, um dort eine Party
zu machen. Der Generator lässt uns im Stich, so wird's 'ne Lagerfeuersession.
Am Montag geht's nach Gjakove im Kosov@
Gjakove / CampDrini
Gjakove liegt an der Grenze zu Albanien und hat 70.000 Einwohner. Ca.
90% der Bewohner waren Albaner. Ca. 1.000 Menschen, vor allem Männer,
gelten als vermisst und genauso viele sind in jugoslawischen Knästen.
Die Altstadt war komplett zerstört bzw. abgebrannt. Die Moschee,
das ehemalige serbische Polizeiquartier und eine Basilika sind noch Ruinen.
Es gab hier die meisten Toten und Vermissten in ganz Kosov@. Daher besteht
ein kollektives Trauerjahr mit Tanz und Feierverbot, aber keiner hält
sich dran.
Wir machen ähnliche Workshops wie in Mazedonien, auch Musikworkshops,
obwohl es Stromprobleme gibt. Session mit Plattenspielern zum Scratchen,
Groovebox und E-Gitarre und Percussion. Anfangs unterhalten wir uns über
Musik. "Was hört ihr hier so?" Traditionelle kosova-albanische
Musik, albanische Rockmusik und Techno: DJ Bobo. Einer der Balkan Sunflowers
schwört auf Ramstein, findet Neonazis cool. Ich sage ihm, dass die
ihn in Deutschland platt machen würden, weil er für die nur
eine albanische Zecke ist. Wir zeigen den Teilnehmern die Kiste mit den
Platten und CDs, die Quintus und Antaro uns netterweise mitgegeben haben.
Sie suchen sich welche aus. Frank zeigt, wie man mixt und nachmittags
machen wir eine "Playground Alle spielen Alles-Session". Ein
Junge, der eine Hand verloren hat, fährt besonders auf die 303 ab,
rappt durch ein Mikrophon und den Vocoder, den ich auf dem Groovecontest
von Roland gewonnen habe. Roland hat uns eine Groovebox mitgegeben, nachdem
ich sie voll abgenervt habe. Ein Mädchen spielt den Vibrator auf
der Gitarre mit viel Effekten, die andern Percussion, zwei scratchen.
Scott ist der Dirigent. Wir machen Aufnahmen, bis der Strom ausfällt.
Mittwochs besuchen wir eine Schule in einem abgelegenen Dorf, ca. 300
Kinder erwarten uns: School is out, der Playground kommt! Sie kommen neugierig
an den Bus, Babette zieht ihre Mütze aus und die Kinder erschrecken:
knallrote Haare! Zuerst machen wir auf dem Hof eine Performance. Lars
und Scott nehmen die Kinder in die Mitte und jonglieren über sie
drüber. Sascha jongliert mit zwei Stöcken, Babette und ich mit
Chains. Dazu spielen wir Kongas oder eine Djembe. Die Workshops machen
wir im Klassenraum: Scherenschnitte, Mandalas und Fluoroketten. Nachmittags
ist frei.
Dienstag und Donnerstag Nachmittag besuchen wir zwei Flüchtlingslager.
Das erste ist relativ gut in Schuss. Wir arbeiten im Dorfgemeinschaftsraum,
machen eine Show und Workshops mit den Kids. Ein paar Jungs entdecken
die Trommeln und die E-Gitarre. Der Verstärker ist kaputt, aber Rumposen
ist lustig.
Das andere Dorf ist seit dem Krieg in einer ehemaligen Fabrik untergebracht.
Die Kids sind hier so wild, dass wir nur eine Streetshow machen können.
Scott wird mit Steinchen beworfen und ein Junge im Publikum spielt mit
'ner Knarre. Wir werden am Leben gelassen und versuchen mit den Kids jonglieren,
aber als wir ihnen die Bälle geben, prügeln sie sich und hauen
damit ab. Es ist schwer zu teilen, wenn man nix hat. Das Leben hier im
Flüchtlingscamp ist abgefuckt, die Gebäude stark heruntergekommen,
sanitäre Anlagen sind kaputt gegangen
Donnerstag machen wir eine Fluoroparty. Die Stimmung ist ausgelassen.
Masken, Gesichter und Körper werden bemalt. Freitags ist die Abschlussvorstellung
für die Eltern, mit Theater, Film, Session und Performance. Ein Großvater
bedankt sich im Namen von allen Eltern für das Sommercamp. Ist echt
rührend
.
Gjakove / Stadt
Nachmittags treffe ich S. der zehn Jahre in der Schweiz war und dort Philosophie
studiert hat. Er sitzt mit seinen Freunden am Stammtisch und sie laden
mich zum Trinken ein. Wir kommen ins Gespräch über den Nationalismus
der Kosovoalbaner und ihre Beziehung zu Deutschland. Ich sage, dass ich
es erschreckend finde, wie die hier auf Nazis und Deutschland abfahren.
"Die Kosovo-Albaner beneiden die Deutschen, weil sie von einem starken
Führer träumen, der alle zu einem unabhängigen Kosovo vereint"
sagt er. Ich frage ihn, wie lang das noch geht mit der Besetzung, ist
ja schon ne spezielle Situation, so eine internationale Kolonie. Er glaubt,
dass die Besetzung des Kosovos so lange wie die in Deutschland dauern
wird. Wir reden über die UCK, die Befreiungsarmee bei der sie alle
waren. Er sei deswegen aus der Schweiz zurückgekommen, um sein Land
zu verteidigen. Auch Frauen haben mitgekämpft. Das schlimme an diesem
Krieg war, dass es Nachbarn waren, welche die Häuser ihrer Nachbarn
ausgeraubt und angezündet haben. Ich frage ihn: "Wenn du einen
Serben treffen würdest, würdest du ihn töten?" - "Nein,
es liegt nicht allein an den Serben, es liegt an dem System. Es ist ihre
Politik, die Scheiße ist" sagt er.
Unsere Jungs bedauern, dass man abends nur Typen auf der Straße
trifft. Frauen höchstens mal zu zweit. Wenn du im Kosov@ nachts alleine
unterwegs bist, giltst Du als Schlampe. Im Laufe der Wochen lerne ich,
dass es Kunst ist, eine Schlampe zu sein und ein Bildungsauftrag noch
dazu. Ich kann natürlich gut reden, weil ich eine verwöhnte
Bürgerstochter bin, aufgewachsen im Schlaraffenland und Bildungsparadies
Deutschland. Die islamischen Traditionen sind hier noch relativ liberal.
Tagsüber siehst Du zwar Mädchen, die schick rumlaufen, aber
Liz, eine Musiklehrerin, hat Geschichten von geltenden Werten wie Jungfräulichkeit,
Ehe und Familienehre erzählt. Sie mussten viele Kinder gebären,
damit sie in dem Land mehr Albaner werden als Serben, die ihnen Sprache,
Bildung und staatliche Arbeit verboten hatten. Die jungen albanischen
Frauen, die wir treffen, sind intelligent, nachdenklich und irgendwie
sehr tapfer. Im Vergleich zu uns haben die 'ne Menge durchgemacht. Wir
Deutschen leiden unter Beziehungsstress, hier erübrigt sich das dann
von selbst: die Leute mit denen man das haben könnte, sind einfach
weg: tot, umgebracht vom Nachbarn.
Der Besuch des serbischen Dorfes muss sehr berührend gewesen sein.
Frank: Wir sind so gegen 17.00 an der Zufahrtsstraße zum Dorf angekommen,
auf dem letzten Kilometer waren überall Schießstände und
Blockaden am Straßenrand und wir standen vor dem fetten Rohr eines
riesigen Panzers. Viel deutsches Militär hing da rum. Die mussten
erst mal davon überzeugt werden, dass wir kein Interesse an Randale
haben. Die haben uns von Straßenschlachten, Ballerei und Mörserangriffen
im letzten Monat erzählt, dass wir echt Verständnis haben müssen
- anyway, nachdem sie unsere Autos gecheckt haben, hat uns der Chef von
der Militärpolizei reingelassen und uns deutlich gemacht, dass sofort
geballert wird, wenn wir Stress machen. Unten im Dorf haben dann KFORs
und Blauhelme unsere Autos noch mal gecheckt. Dann ging's endlich los,
als wir jonglierend und Gong schlagend auf dem Marktplatz angekommen waren,
war das Dorf schon versammelt. Die Leute bekommen selten Besuch von außen
und waren ganz ruhig. Wir haben mit spanischen Clowns gespielt und das
ganze Dorf war da, ca. 300 Leute. Die Show war einfach göttlich,
wir sind noch nie so gefeiert worden.
Am Samstag war die Camp Drini Abschlussfeier, wo alle Kinder zusammenkamen,
die den Sommer über zu Gast waren.
Das Sommercamp schließt seine Pforten. Ab jetzt wohnen die Familien
wieder ohne Dach überm Kopf. Die lokalen Mitarbeiter werden arbeitslos
und die anderen fliegen nach Hause, nach Amerika, England, Frankreich,
Deutschland, Israel. Der harte Kern bleibt, bereitet sich auf einen harten
Winter vor, mit - 25 C°.
Peje
Peje, das früher Pec hieß, ist bekannt für sein altes
serbisch orthodoxes Kloster und dafür, dass deswegen das Kosov@ serbisch
war, ist und bleiben soll. Sagen die Nationalisten unter den Serben und
die, die hier einfach in Ruhe bleiben woll(t)en. Mit Wohnen sieht's jetzt
schlecht für alle aus: Die ganze Stadt ist sehr kaputt, das Kloster
und die Serben, die noch da sind, werden von der Nato bewacht. Peje liegt
unter einer Staubwolke: die Albaner bauen ihre Häuser wieder auf,
bevor der kalte Winter kommt. Das Balkan Sunflower Team vor Ort besteht
aus einer Gruppe von ungefähr 8 Leuten, zwischen 18 und 28: Amerikaner,
Holländer, Engländer usw., die sich hier seit einem Jahr eingenistet
haben, um im Stadtpark Projekte für Jugendliche und Kinder zu machen.
Diesen Sommer lief über 8 Wochen ein Antirassismus-Cam, mit albanischen,
bosnischen und Roma-Jugendlichen, die gemeinsam an Workshops, Festivals,
Konzerten und Filmvorführungen teilgenommen haben.
Während der Woche arbeiten wir in einer von der EU wieder aufgebauten
Schule und einem Obst- und Gemüsegarten, der von Balkan Sunflower
angelegt wurde. Wir besuchen zwei Schulen in Dörfern am Rande der
Stadt. Montags treffen wir den Schuldirektor und Lehrer, um unseren Besuch
zu besprechen. Das Dorf liegt neben einem serbischen Dorf, daher passieren
wir unterwegs einen Kfor Kontrollposten. Die Schule ist im Rohbau. Nicht
nur während des Krieges, schon seit 10 Jahren sind die Schulen systematisch
zerstört, Lehrer verhaftet worden, albanische Kids wurden am Besuch
des Unterrichts gehindert, etliche kamen dabei um.
Unsere "Playground Kinder Show" läuft gut. Auch die Performance-Amateure
haben sich gut eingespielt. Wir spielen auch abends in Peje auf der Straße
vor ca.150 jungen Männern. Ich spiele Ketten und schreie: "Wo
sind denn eure Frauen, sind denn keine Frauen in Peje?" "Die
müssen arbeiten und früh aufstehen", sagt einer.
Donnerstags gehen wir abends wieder in die Innenstadt und machen eine
kostümierte Feuershow und verteilen Flyer für die Fullmoon Party.
Am Freitag wieder Workshops mit den Kids: wir malen Masken aus Maschendraht
und Papier an.
Eine Gruppe Roma Kids kommt. Casey hat sie zur Kinder-Party eingeladen.
Das Zusammentreffen zwischen den Kindern wird problematisch, aus netten
Prinzessinnen, die vor meiner Kamera posen, werden kleine Furien, die
mit weit aufgerissenen Augen "Nein, nicht mit denen" schreien.
Sie wollen nichts mit Romas zu tun haben. Sie wollen sie nicht in "ihren"
Garten lassen oder beim Jonglieren neben ihnen stehen. Wir machen unsere
Jonglier-Show. Die Romas sitzen auf der einen Seite und schauen zu. Casey
nimmt seine Gitarre und singt mit den Kids Lieder, die sie vom Antirassismus-Projekt
kennen. Macht uns nachdenklich. Wir können wohl kaum erwarten, dass
sich wegen ein paar Kindern, die einen Sommer lang ein Projekt mitmachen,
das Verhalten einer ganzen Gruppe verändert.
Party in Peje
Vorbereitungen für die Vollmond-Party. Auf einer Waldlichtung im
Park wird schon mittags dekoriert, das Playground-Zelt aufgebaut, Scott
und Frank installieren das Soundsystem. Falun schraubt stolz an den Grooveboxen.
Tücher in den Bäumen, die Menschen und der Mond leuchten. Gewehrsalven
im Park gehen im Sound unter und werden angesichts der Macht der Musik
belanglos. Wir feiern, über den Dancefloor toben junge Männer
mit Feuer-Stöcken, Ketten und Keulen. Micha, Casey und Lars machen
'nen Live-Act über Franks Gitarrenverstärker. Später ufert
die Session aus, ich spiel 303, Jos spielt Didge, Scott mixt Platten dazu.
Am Ende der Party verteilen wir CDs an die albanischen Jungs, die am Zelt
abhängen.
Playground Release in Peje! Sie helfen uns auch, als wir um fünf
Uhr morgens die Party abbauen. Wir sind alle ziemlich k.o., aber glücklich,
dass die Party im Kosovo trotz der Widrigkeiten so nett geworden ist.
Wir hoffen, dass der entstandene Freundeskreis psychedelischer Partykultu,
mit der Plattenkiste, die in Peje bleibt, was anstellen kann.
Am Sonntag verabschieden wir uns von BSF in Peje. Wir hoffen, dass wir
uns wieder sehen, vielleicht nächstes Jahr. Es gibt da schon ein
paar Ideen ;-)
Weitere Infos:
Finanzierung des Projektes durch: 3.000 DM von einer Reality Fernsehshow
über den Untergang der besetzten Barrax Häuser; 1.000 DM vom
Amt für Wissenschaft / Kunst; 750 DM vom Jugendamt; ca. 2.500 DM
gesparte, private Gelder der Playgroundleute; CD Verkauf, Auftritte.
Materialspenden: Stoffmalfarbe für 1700 DM: Farben Jenisch; 50 Rucksäcke/Taschen
und 70 T-Shirts: Eastpak; Kiste Platten: EFA - Quintus; CDs: Spirit Zone
- Antaro u. Gabi; Plattenspieler: Gabriel Le Mar.
Weitere Spenden: Hugendubel, Pappnase, Amazone.de. Die Firma Roland hat
2 Monate lang eine MC 303 ausgeliehen.
Die Playgrounds sammeln
weiter Instrumente / Spenden für Kosov@!
Es werden dringend gebraucht: pitchbare Plattenspieler, Mixer, Akustik-
und E-Gitarren, 303s, Effektgeräte, Schlagzeug, sonst. Percussion,
Klavier, Platten und CD's, u.s.w.
Die Homepage von Liz, der Musiklehrerin: www.shropshirefoundation.org.
Vermittlung der Spenden über: conni@prowokulta.org.
Infos zur Arbeit von Balkansunflower:
www.balkansunflowers.org
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